EKG-Pflaster zur Früherkennung von VHF?

Veröffentlicht am: 24.06.2024

Der Einsatz eines EKG-Pflasters für 2 Wochen erhöhte in einem Risikokollektiv die Detektionsrate für Vorhofflimmern (VHF) um mehr als das Doppelte.1 Kann dies langfristig auch zu weniger klinischen Ereignissen führen? Erfahren Sie mehr.

Expert:innen gehen davon aus, dass 13-30 % aller Personen mit Vorhofflimmern (VHF) nicht diagnostiziert werden. Die Konsequenzen können schwere gesundheitliche Folgeerkrankungen wie Schlaganfälle oder Herzinsuffizienz sein.2 Dennoch empfehlen die aktuellen europäischen Leitlinien für Patient:innen ab einem Alter von 65 Jahren lediglich ein opportunistisches Screening, also die Untersuchung des Herzrhythmus mittels einer Pulskontrolle oder eines einzelnen EKGs auf Wunsch des Betroffenen oder infolge einer ärztlichen Empfehlung.3

Ein zentrales Argument dafür ist, dass das opportunistische Screening im Vergleich zu einem systematischen Screening in dieser Altersgruppe das günstigere Kosten-Nutzen-Verhältnis hat. Das systematische VHF-Screening wird daher nur bei Personen ab dem 75. Lebensjahr oder bei hohem Schlaganfallrisiko empfohlen.3

EKG-Pflaster

Die Voraussetzung, um ein systematisches Screening – auch unter ökonomischen Gesichtspunkten – großflächig einsetzen zu können, ist eine einfache und kostengünstige Screeningmethode mit hohem prädiktivem Wert.4 Neue, zum Teil digitale Technologien zur VHF-Diagnose bieten ein hohes Potenzial für die Entwicklung neuer Screeningstrategien.1

In mehreren prospektiven Studien (mSToPS1, Apple Heart5, SCREEN-AF6) wurden bereits EKG-Pflaster verwendet, um Herzrhythmusstörungen bei den Studienteilnehmenden aufzudecken. Diese kleinen, tragbaren EKG-Geräte können wie ein Pflaster auf die Brust geklebt werden und zeichnen Ein-Kanal-EKGs auf. Die Handhabung ist unkompliziert und praktisch. So muss das Pflaster beispielsweise auch unter der Dusche nicht abgenommen werden.7

mSToPS-Studie

Die ersten Ergebnisse der US-amerikanischen mSToPS-Studie belegten, dass mit einem EKG-Pflaster (Zio-Monitor von iRhythm Technologies), das von den Patient:innen mit US-amerikanischer Standardversorgung in Eigenregie angewandt wurde, im Vergleich zur Standardversorgung ohne ein systematisches Monitoring deutlich häufiger ein VHF diagnostiziert wurde.1

Die Autor:innen identifizierten die Teilnehmenden aus der Datenbank des US-amerikanischen Anbieters von Gesundheitsleistungen Aetna und sandten ihnen das EKG-Pflaster per Post zu. Die Teilnehmenden durften kein bekanntes VHF haben, mussten jedoch zu einer VHF-Risikogruppe gehören (Personen älter als 75 Jahre oder Männer älter als 55 bzw. Frauen älter als 65 Jahre mit mind. einer definierten Komorbidität).1

Höhere VHF-Detektionsrate

Nach einem Jahr wurden die mSToPS-Daten von 1.738 Betroffenen, die das EKG-Pflaster durchschnittlich 11,7 Tage (± 4 Tage) getragen hatten, mit einer Kontrollgruppe (3.476 Studienteilnehmende), die hinsichtlich Alter, Geschlecht und CHA2DS2-Vasc-Score gematcht war und die übliche US-amerikanische Standardversorgung der Versicherten erhielten, verglichen – mit folgenden Ergebnissen:1

  • In der Gruppe mit Standardversorgung und dem systematischen Monitoring mittels EKG-Pflaster, betrug die Detektionsrate für VHF 6,7 pro 100 Personenjahre.1
  • In der Kontrollgruppe mit Standardversorgung ohne systematisches EKG-Monitoring betrug die Detektionsrate dagegen nur 2,6 pro 100 Personenjahre (Differenz 4,1; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 3,9–4,2).1

Dieses Ergebnis hatte auch klinische Konsequenzen: Eine Antikoagulationstherapie wurde in der Gruppe mit EKG-Pflaster-Monitoring häufiger initiiert als in der Gruppe mit Standardversorgung (5,7 vs. 3,7 pro 100 Personenjahre; Differenz 4,1; 95%-KI: 1,9–2,2).1

Update nach 3 Jahren

Die Autor:innen der mSToPS-Studie gingen der Frage nach, ob das systematische Screening der Studienteilnehmenden mit einem frühen Einsatz von EKG-Pflastern VHF-assoziierte Folgeerkrankungen senken kann. Eine Antwort lieferten die 3-Jahres-Follow-up-Daten aus der mSToPS-Studie, die Aufschluss über die gesundheitliche Entwicklung von 1.718 Teilnehmenden mit EKG-Pflaster-Monitoring und von 3.371 Personen aus der Kontrollgruppe gaben – mit relevanten Einschränkungen für die Datenauswertung.2

Weniger klinische Ereignisse nach früher VHF-Diagnose

Bei einem Beobachtungszeitraum von 3 Jahren gingen die Autor:innen ursprünglich davon aus, dass die Rate an VHF-Diagnosen in der Gruppe mit EKG-Pflaster-Monitoring ähnlich hoch sein würde wie in der Kontrollgruppe. Die VHF-Erkrankungen würden durch das systematische Monitoring lediglich früher erkannt, so die Annahme.  

Die Auswertung der Daten hielt allerdings eine Überraschung bereit: Nach drei Jahren wurde bei 11,4 % (n = 196) der aktiv überwachten Studienteilnehmenden VHF neu diagnostiziert, gegenüber 7,7 % (n = 261) in der Kontrollgruppe (p<0,01). In der aktiv überwachten Kohorte wurde bei 65 Personen das VHF zum ersten Mal durch ein EKG-Patch-Screening festgestellt und bei 131 Personen wurde die Diagnose erstmals klinisch gestellt.2

Steinhubl et al. stellten somit fest, dass es zu einer abweichenden VHF-Diagnoserate zwischen den untersuchten Patient:innengruppen kam, so dass ein Vergleich, der sich auf die Personen mit VHF-Diagnose beschränkt, rein explorativ sei. Die Analyse des primären Endpunkts führte dennoch zu aufschlussreichen Beobachtungen.

Klinische Ereignisse vor und nach einer VHF-Diagnose

Eine Auswertung der klinischen Ereignisse des primären Endpunkts, die sich 2 Wochen nach bzw. 2 Wochen vor der VHF-Diagnose bei den Teilnehmenden ereigneten, ergab Folgendes:

  • Von den Patient:innen, deren VHF-Erkrankung ohne EKG-Pflaster festgestellt wurde, erlitten in dem 4-wöchigen Zeitfenster 6,6 % einen Schlaganfall, 9,2 % einen Herzinfarkt und 1,5 % eine systemische Embolie. 10,2 % der Personen litten zu diesem Zeitpunkt an Herzinsuffizienz.2
  • Von den Patient:innen, deren VHF-Erkrankung durch das systematische EKG-Monitoring festgestellt wurde, erlitt keiner in den untersuchten 4 Wochen einen Schlaganfall, Herzinfarkt oder eine systemische Embolie. Nur eine Person (2,3 %) litt an Herzinsuffizienz.2
Klinische Ereignisse und Todesfälle im Langzeitverlauf

Der kombinierte primäre Endpunkt der Studie erfasste neben Schlaganfällen, systemischen Embolien und Herzinfarkten auch Todesfälle.2 Diesbezüglich schnitt die Interventionsgruppe mit einem EKG-Pflaster nach einem mittleren Follow-up von 29 Monaten ebenfalls besser ab als die Kontrollgruppe:

  • In der Gruppe, die das EKG-Pflaster als frühes Diagnosetool nutzte, betrug die Ereignisrate des primären Endpunktes 3,6 pro 100 Lebensjahre (95%-KI: 3,1–5,1).2
  • In der Gruppe ohne systematisches Screening (Kontrollgruppe) betrug die Ereignisrate 4,5 pro 100 Lebensjahre (95%-KI: 4,0–5,0). Die adjustierte Hazard Ratio zwischen den beiden Gruppen betrug 0,79 (p = 0,02).2

Fazit

  • Die mSToPS-Studie belegt eine signifikant höhere VHF-Detektionsrate nach Einsatz von EKG-Pflastern im Rahmen eines umfangreichen systematischen Monitorings unter ausgewählten Risikopatient:innen im Vergleich zu einer gematchten Risikogruppe des Kontrollarms mit gleicher Standardversorgung nur ohne systematisches EKG-Screening.1
  • Ein Update der Studie nach 3 Jahren zeigte: Eine frühzeitige Diagnose des subklinischen VHF mittels EKG-Pflaster geht mit deutlich weniger klinischen Ereignissen einher als eine spätere klinische VHF-Diagnose.2
  • Die Ereignisraten des kombinierten Endpunkts (Tod, Schlaganfall, systemische Embolien und Herzinfarkt) waren in der EKG-Pflaster-Gruppe geringer als in der Kontrollgruppe.2
  • Ob die Studienbeobachtungen tatsächlich mit der frühen VHF-Diagnose zusammenhängen, bleibt offen. Laut den Autor:innen besteht daher der Bedarf an weiteren klinischen Studien zu diesem Thema.2

Quellen:

  1. Steinhubl SR et al. Effect of a Home-Based Wearable Continuous ECG Monitoring Patch on Detection of Undiagnosed Atrial Fibrillation: The mSToPS Randomized Clinical Trial. JAMA 2018;320:146–155.
  2. Steinhubl SR et al. Three year clinical outcomes in a nationwide, observational, siteless clinical trial of atrial fibrillation screening-mHealth Screening to Prevent Strokes (mSToPS). PLoS One 2021;16:e0258276.
  3. Hindricks G et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS): The Task Force for the diagnosis and management of atrial fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC) Developed with the special contribution of the European Heart Rhythm Association (EHRA) of the ESC. Eur Heart J 2021;42:373–498.
  4. Freedman B et al. Screening for Atrial Fibrillation: A Report of the AF-SCREEN International Collaboration. Circulation 2017;135:1851–1867.
  5. Turakhia MP et al. Rationale and design of a large-scale, app-based study to identify cardiac arrhythmias using a smartwatch: The Apple Heart Study. Am Heart J 2019;207:66–75.
  6. Gladstone DJ et al. Screening for Atrial Fibrillation in the Older Population: A Randomized Clinical Trial. JAMA Cardiol 2021;6:558–567.
  7. iRhythm. Greater than the sum of its parts; unter: https://www.irhythmtech.com/professionals/why-zio (abgerufen am 03.06.2024).

Bildnachweis: 5second/iStock; iStock-996160394

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