Lipidwerte und VHF: ein paradoxes Zusammenspiel

Veröffentlicht am: 26.05.2025

Beeinflussen Lipidparameter wie LDL-Cholesterin oder Triglyzeride das Risiko, Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern zu entwickeln? Unter dem Schlagwort Lipid-Paradoxon wird dieses Thema kontrovers diskutiert. Neuere Studien haben versucht, mehr Licht ins Dunkel zu bringen.1, 2 Lesen Sie hier mehr dazu.


Das Wichtigste in Kürze

Das Lipid-Paradoxon postuliert, dass erhöhte Lipidparameter mit einer niedrigeren Prävalenz von Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern (VHF) assoziiert sind.3, 4

Neuere Studien kommen allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich des Zusammen­hangs zwischen Lipidwerten und dem VHF-Risiko:1, 2 So zeigt eine Arbeit keine signifikante Assoziation zwischen bestimmten Lipidparametern und dem VHF-Risiko. Ausnahme sind erhöhte Triglyzeridwerte, die möglicherweise das VHF-Risiko senken.1 Eine andere Untersuchung legt dagegen nahe, dass erhöhte Lipoprotein(a)-Werte (≥ 50 mg/dl) ein unabhängiges Risiko für VHF darstellen.2


Das Lipid-Paradoxon

Während erhöhte Lipidwerte das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle steigern,5 gilt diese Korrelation nicht zwangsweise für Herzrhythmusstörungen: Unter dem Begriff Lipid-Paradoxon ist eine Hypothese bekannt, wonach erhöhte Lipidparameter wie das Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C), das High-Density-Lipoprotein-Cholesterin (HDL-C) und das Gesamtcholesterin sowie ein höheres LDL/HDL-Verhältnis mit einer niedrigeren Prävalenz von Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern (VHF) assoziiert sind. Diese Hypothese wird von mehreren renommierten Studien gestützt.3, 4

Analyse zeigt: Lipidwerte beeinflussen VHF-Risiko nicht

Es gibt aber auch Untersuchungen, die zu anderen Ergebnissen kommen – wie etwa die Arbeit von Yang et al. Die Forscher:innen untersuchten dabei den kausalen Zusammenhang zwischen Lipidwerten und dem Risiko für VHF mit univariablen und multivariablen Mendel‘schen Rando­misierungsanalysen (MR-Analysen). Anhand der MR-Analysen wollten sie herausfinden, ob genetische Polymorphismen, die sich bekanntermaßen auf den Lipidstoffwechsel auswirken, mit einem erhöhten oder reduzierten VHF-Risiko assoziiert sind. Dazu verwendeten sie sowohl Datensätze einer Biobank des Vereinigten Königreichs (UK) als auch von mehr als 1.000.000 europäischen Patient:innen.1

Gegenstand der Analyse waren Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs), die nachweislich einen signifikanten Einfluss auf die Blutspiegel der folgenden Lipidparameter haben:1

  • LDL-Cholesterin
  • HDL-Cholesterin
  • Triglyzeride
  • Apolipoprotein A1
  • Apolipoprotein B

SNPs, die in dieser Erstauswahl enthalten waren und die bekanntermaßen auch im Zusammenhang mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren wie arterieller Hypertonie, chronischen Nieren­erkrankungen oder Entzündungsmediatoren stehen, wurden systematisch ausgeschlossen.1

Die Analysen von Yang et al. zeigten keine signifikante Assoziation zwischen den oben genannten genetisch determinierten Lipidparametern und dem VHF-Risiko.1 Allein eine univariate Analyse zeigte einen Zusammenhang zwischen einem um 1 mmol/l erhöhten Triglyzeridspiegel und einem um 9,3‑14,8 % reduzierten VHF-Risiko. In weiteren multivariaten Analysen bestätigte sich dieser Trend jedoch nicht.1

Erhöhte Lipoprotein(a)-Werte und VHF

Eine Studie von Awad et al. aus dem Jahr 2025 legt nun außerdem nahe, dass erhöhte Lipoprotein(a)-Werte (≥ 50 mg/dl) sogar ein unabhängiges Risiko für VHF darstellen können. Bei 75.376 untersuchten Patient:innen ohne VHF-Vorgeschichte hatten diejenigen mit erhöhten Lipoprotein(a)-Werten über einen mittleren Beobachtungszeitraum von 8,8 Jahren eine um 11 % höhere Wahrscheinlichkeit, VHF zu entwickeln, verglichen mit Patient:innen mit niedrigeren Werten. Interessanterweise war dieser Zusammenhang besonders ausgeprägt bei Personen mit Hyperthyreose, während bei Patient:innen mit Herzinsuffizienz diese Assoziation nicht mehr beobachtet wurde.2

Diese Ergebnisse unterstützen die These, dass hohe Lipoprotein(a)-Werte ein Risikofaktor für VHF sind. Weitere Studien sind jedoch nötig, um zu prüfen, ob die Senkung von Lipoprotein(a) das VHF-Risiko mindern kann.2

Fazit

Der mögliche Zusammenhang zwischen Lipidparametern und dem Risiko für VHF wirft weiterhin Fragen auf. Auch neuere Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, die das Lipid-Paradoxon entweder stützen oder teilweise widerlegen.1-4 Daher werden zukünftig detaillierte Studien notwendig sein, um diesen Aspekt, auch im Zusammenhang mit Patient:innencharakteristika und Vor- und Begleiterkrankungen, zu beleuchten.


Quellen

  1. Yang S, Pudasaini R, Zhi H et al. The Relationship between Blood Lipids and Risk of Atrial Fibrillation: Univariable and Multivariable Mendelian Randomization Analysis. Nutrients 2021; 14: 181.
  2. Awad K, Kamel M, Mahmoud AK et al. Elevated Lipoprotein(a) Levels Linked to New-Onset Atrial Fibrillation: Insights from a Retrospective Cohort Study. Eur J Prev Cardiol 2025: zwaf063. Online ahead of print. .
  3. Harrison S, Lip GYH, Lane DA et al. The cholesterol paradox in atrial fibrillation: results from the LIPIDOGRAM 2015 study. European Heart Journal 2020; 41: 451.
  4. Sagris D, Harrison SL, Lip GYH. Lipids and atrial fibrillation: New insights into a paradox. PLoS Med 2022; 19: e1004067.
  5. Wengrofsky P, Lee J, Makaryus AN. Dyslipidemia and Its Role in the Pathogenesis of Atherosclerotic Cardiovascular Disease: Implications for Evaluation and Targets for Treatment of Dyslipidemia Based on Recent Guidelines. In: McFarlane SI (Hrsg.). Dyslipidemia. London: IntechOpen; 2019. doi:10.5772/intechopen.85772; unter: https://www.intechopen.com/chapters/66725 (abgerufen am 15.05.2025).

Bildnachweis: Rasi Bhadramani/iStock-1255871988

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