Mehr als ein Lifestyleprodukt? Mit der Smartwatch Vorhofflimmern erkennen

Veröffentlicht am: 20.03.2024

Wie funktioniert die Detektion von Vorhofflimmern am Handgelenk per Smartwatch? Wie sieht die aktuelle Datenlage dazu aus und welche Chancen und Limitationen sehen Fachleute in der Wearable-basierten Erkennung von Arrhythmien? Ein Überblick.

Laut dem statistischen Bundesamt gehört die Diagnose Vorhofflimmern (VHF) zu den häufigsten Gründen für eine Krankenhauseinweisung in Deutschland. Die Expert:innen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) heben deshalb die Bedeutung einer frühen Diagnose und Therapie von VHF hervor.1

Zu den klassischen Methoden des VHF-Screenings gehören das 12-Kanal-Elektrokardiogramm (EKG), das Langzeit-EKG über einen bis mehrere Tage und der externe oder implantierbare Ereignisrekorder. Das Problem: Herzrhythmusstörungen wie VHF verlaufen in der Mehrheit der Fälle asymptomatisch, was eine gezielte Diagnose erschwert.1 Hier kommt die Wearable-basierte Detektion von Arrhythmien ins Spiel.

EKG und PPG: die Technik hinter der Herzüberwachung

Wearables sind elektronische Geräte, die direkt am Körper oder der Kleidung getragen werden. Dazu zählen auch Smartwatches von Herstellern wie beispielsweise Apple oder Samsung. Man kann mit diesen digitalen „schlauen Uhren“ nicht nur E-Mails empfangen, telefonieren oder den Wetterbericht abrufen, sondern seit einiger Zeit auch kritische Herzsituationen detektieren.2 Die Technik, mit der die Smartwatches den Puls bzw. die Herzrate kontrollieren, basiert in der Regel auf einer von zwei Möglichkeiten:

  • Photoplethysmographie (PPG): Die Blutmenge, die am Handgelenk vorbeifließt, wird mit Infrarotstrahlung über Messsensoren auf der Unterseite der Smartwatch gemessen. Es folgt die Umwandlung in eine Pulswelle, aus der sich die Herzfrequenz und eventuelle Rhythmusstörungen ermitteln lassen.1, 2
  • EKG: Die Messung erfolgt über eine Herzstromkurve, die über Sensoren am Handgelenk oder nach der Berührung eines beliebigen Fingers der anderen Hand in ein 1-Kanal-EKG umgewandelt wird.1, 2

Ob nun PPG oder EKG: Es bleibt die Frage, wie verlässlich der Einsatz von Smartwatches zur Detektion von VHF sein kann. Expert:innen der Deutschen Herzstiftung und der DGK gingen dieser Fragestellung jeweils gesondert nach.1, 2

Top oder Flop? Die Smartwatchtechnik im Test

Die DGK resümierte in einem umfangreichen Positionspapier von 2021, dass Wearables am Handgelenk mit PPG-basierten Analysemethoden laut der damaligen Studienlage eine Sensitivität und Spezifität von über 90 % im Vergleich zu EKG-basierten Methoden erreichen. Sie merkt allerdings an, dass für eine exakte Interpretation die Analyse der atrialen Aktivierung erforderlich ist. Dies sei nur mit einem EKG detektierbar.1  

Der Deutschen Herzstiftung zufolge weisen Daten des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung außerdem daraufhin, dass bei der Pulswellenanalyse Probleme mit der Signalqualität bestehen könnten, vor allem wenn sich die Proband:innen während der Messung bewegen.2 In Bezug auf die Frage, was Smartwatch-EKGs leisten können, verweist die Deutsche Herzstiftung auf eine Studie von Mannhart et al., die 1-Kanal-EKGs von 5 verschiedenen Geräten, die als Medizinprodukte zugelassen sind, untersucht habe.2  

Das Ergebnis: Alle Geräte wiesen eine hohe Sensitivität und Spezifität auf. Berechne man allerdings ein, dass viele Aufzeichnungen nicht auswertbar waren, sei die Aussagekraft der Geräte merklich verringert (Sensitivität: 58–85 %; Spezifität: 69–79 %). Ein von der Smartwatch detektiertes VHF sollte daher immer von einer Kardiologin oder einem Kardiologen bestätigt werden, so die Deutsche Herzstiftung.2, 3

Wird der Arztbesuch überflüssig?

Laut der Deutschen Herzstiftung ist die Analyse der Geräte (noch) zu fehleranfällig. Anwendende müssen außerdem in der Lage sein, die Smartwatch richtig zu bedienen, um verlässliche Werte zu erhalten. Aber selbst wenn verlässliche Werte vorliegen, ist weiterhin kundiges Fachpersonal erforderlich. Denn nur Fachleute können die Messungen korrekt interpretieren und die richtigen Schlüsse für weitere diagnostische Schritte und Therapien ziehen. Patient:innen sollten die Auswertung der Daten deshalb immer mit ihrem behandelnden Kardiologen oder ihrer behandelnden Kardiologin abstimmen.1

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Die Wearable-basierte Detektion von Arrhythmien ist bisher keine Krankenkassenleistung. Seit der Einführung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) sind zwar bereits 54 digitale Applikationen (Apps) durch die Krankenkassen erstattungsfähig – darunter ist aber keine, um VHF zu detektieren.4

Dabei können DiGAs laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) neben der Gerätesoftware auch Sensoren oder andere Hardware wie beispielsweise Wearables umfassen.5 Die Erstattbarkeit von Anwendungen der Primärprävention, zu der die Detektion von VHF zählt, ist allerdings nicht vorgesehen.6 Die Patient:innen müssen die Kosten von mehreren hundert Euro daher selbst übernehmen.2

Das Fazit der Expert:innen

  • Die Fachleute zeichnen insgesamt ein positives Bild der Wearable-basierten Detektion von Arrythmien.1, 2

  • Laut der aktuellen Datenlage sind Wearables prinzipiell in der Lage, VHF zu erkennen.1

  • Wearables könnten die diagnostische Lücke schließen, die konventionelle EKG-basierte Screenings hinterlassen.1

  • Die Verwendung einer Smartwatch sollte dennoch mit dem kardiologischen Fachpersonal abgestimmt werden.1, 2

  • Nach aktuellem Stand sind Apps zur VHF-Detektion bzw. Smartwatches zur Detektion und Auswertung von VHF nicht erstattungsfähig – zum Nachteil von Patient:innen.6


Quellen:

  1. Veltmann C et al. Wearable-basierte Detektion von Arrhythmien. Kardiologe 2021.15:341–353.
  2. Deutsche Herzstiftung. Nutzt eine Smartwatch Herzpatienten wirklich? (2023); unter: https://herzstiftung.de/ihre-herzgesundheit/leben-mit-der-krankheit/smartwatch-fuer-herzpatienten (abgerufen am 06.02.2024).
  3. Mannhart D et al. Clinical Validation of 5 Direct-to-Consumer Wearable Smart Devices to Detect Atrial Fibrillation: BASEL Wearable Study. JACC Clin Electrophysiol 2023;9: 232–242.
  4. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. DiGA-Verzeichnis (2024); unter: https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis (abgerufen am 06.02.2024).
  5. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Das Fast-Track-Verfahren für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach § 139e SGB V. Version 3.5 (28.12.2023); unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medizinprodukte/diga_leitfaden.pdf?__blob=publicationFile (abgerufen am 07.02.2024).
  6. Lawin D et al. [Mobile health for detection of atrial fibrillation-Status quo and perspectives]. Internist (Berl) 2022;63:274–280.

Bildquelle: © PeopleImages/iStock.com

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